Viele Unternehmen suchen vorgefertigte Skillsets und nicht unbedingt gute Leute

Seit 20 Jahren begegnet mir das Phänomen immer wieder: Ich habe in 20 Jahren Controlling mit etwa 20 verschiedenen Software-Lösungen gearbeitet. Die meisten davon sind fast identisch aufgebaut. Wenn ich also eine beherrsche, finde ich mich in den anderen auch zurecht, spätestens nach einer Woche.



Manche, wenige Auftraggeber haben mir die Gelegenheit gegeben, diese vielfältigen Erfahrungen zu sammeln – sie haben mich an Bord geholt, obwohl ich mit genau ihrer Software noch nie gearbeitet hatte.



Im Moment (Stand: August 2012)  suchen die Unternehmen eher Interimer, die ganz exakt ihre Software in exakt ihrer Version genau kennen.



Auch bei anderen Skills werde ich immer wieder gefragt: „Haben Sie ganz nanometer- genau dies schon einmal gemacht?“ Naturgemäß kann ich drauf nur ehrlich antworten „Nicht nanometer-genau. Aber hier habe ich 30 Beispiele, wo ich Aufgaben bearbeitet habe, die FAST dasselbe sind…“ Das ist vielen nicht genug.



Ich behaupte über mich selbst: Ich kann rechnen und denken. Ich habe bereits in sehr vielen Situationen gearbeitet, die mir sehr neu waren, und habe in den meisten davon gute Ergebnisse erzielt. Ich glaube,  gerade für Interims-Projekte bringe ich mehr Skills mit, die dem Unternehmen nützen, als viele andere, die bereits im exakt gleichen Umfeld Routine erworben haben.



Die Unternehmen scheinen derzeit aber meistens Bewerber zu bevorzugen, die exakt die Arbeitsabläufe bereits bedient haben, die im jeweiligen Projekt zu tun sind. Ob dies tatsächlich die klügere Entscheidung ist, zeigt sich dann von Projekt zu Projekt.



Unvorhergesehene Situationen und Neuerungen gibt es immer wieder, und ich behaupte, dass ein hohes Maß an Erfahrung mit dem Unerwarteten im Projekt mehr wert ist als exakte Routine.

Warum aber handeln die Unternehmen so?

Ein valides Argument ist die Einsparung von Einarbeitungskosten. Gerade im operativen Tagesgeschäft ist es einfacher, jemanden hinzusetzen, der sofort weiß, wie er die Arbeit zu tun hat, ohne Einweisung.



Manche Entscheider glauben auch einfach nicht, dass sich jemand in ein Aufgabengebiet, das in kleinen Teilen neu ist, zügig einarbeiten kann. In manchen Fällen ist diese Einschätzung auch richtig, aber im Falle eines Freelancers mit mehrjähriger Erfahrung wird sie sehr wahrscheinlich falsch sein.



Manche Blogger-Kollegen vermuten, die Unternehmen suchten Roboter-Drohnen, die vorgefertigte Prozesse nicht in Frage stellen. Manchmal mag auch dies der Fall sein.



Was aber nun, wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt? Was, wenn gänzlich neue Herausforderungen erscheinen?  Dann hat der Kollege mit der Routine vielleicht keine Antwort, aber der Kandidat mit vielfältiger Erfahrung kann produktiv reagieren.



Der Kollege mit Routine wird vielleicht alte Denkweisen auf neue Probleme übertragen, was manchmal funktioniert, oft genug aber auch nicht.



Welche Vorgehensweise produktiver ist, hängt also u.a. davon ab, wie der Einsatz genau beschaffen ist. Im absoluten Glücksfall findet das Unternehmen jemanden, der sowohl Routine in der anstehenden Aufgabe hat als auch umfangreiche Erfahrungen mit komplexer Problemlösung. Dieser Glücksfall ist selten.



VIEL ERFOLG!